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Schlittenhunde Januar 2020

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Den Januar verbringe ich bei Schlittenhunden im kanadischen Winter. Die Vorbereitungen auf die Caledonia Classic, ein 200-Meilen-Rennen in British Columbia, sind geprägt von Herausforderungen. Das Rennen bleibt bis zum Schluss spannend, obwohl wir nicht um den Sieg mitfahren.

Übernachtungen

Schlittenhunde in Sexsmith

Anfangs Januar erreiche ich Josh, den Mann mit den Schlittenhunden. Er wohnt etwas ausserhalb von Sexsmith. Hinter seinem Haus leben 21 Huskies und 5 Welpen. Sein Haus wie auch die Garage sind ziemlich unordentlich. Ich fühle mich nicht richtig wohl hier. Auch das erste Mal Hunde füttern mit Josh macht keinen Spass. Es ist kalt und die Abläufe sind schlecht organisiert. In knapp vier Wochen ist das Schlittenhunderennen. Man merkt Josh die Anspannung an. Er ist ungeduldig und zeigt wenig Verständnis, wenn ich zu Beginn nicht alles aufs erste Mal richtig mache. So habe ich mir das nicht vorgestellt. Weil sein Schneemobil kaputt ist, kann er keinen Weg für die Hunde im Tiefschnee anlegen. Daher spannen wir sie vor den Truck und gehen so auf den Feldwegen auf Trainingstour. Im Auto ist es schön warm aber auch relativ langweilig. Ich überlege mir schon, ob ich gleich wieder gehen soll.

Ich erhalte Verstärkung

Es ist Samstag. Nach der morgendlichen Trainingstour gönnen wir den Hunden eine Pause. Am Abend wird Josh alleine losziehen und ich hole Steffi, eine weitere Volunteerin vom Flughafen ab. Am Sonntag können wir die Hunde zum ersten Mal bei Sonnenschein füttern. Das ist viel angenehmer, trotz -35° C macht es mir heute Freude. Zusammen mit Steffi bringen wir den daheim gebliebenen Hunden ihre Mahlzeit, schaufeln etwas Schnee und geniessen für kurze Zeit die Sonne. Dann wird es uns doch zu kalt und wir gehen zurück ins über 50° C wärmere Haus. Zu zweit räumen wir die Küche auf, wodurch es wohnlicher wird. Nun gefällt es mir schon viel besser. Als Josh nach Hause kommt, wirkt er sehr müde. Er hat letzte Nacht mit den Hunden draussen übernachtet. Beim Zelt ist anscheinend irgendeine Stange gebrochen, und die Hunde sind nach den 80 Kilometern heute morgen ziemlich fertig. Wir lassen sie daher die ganze Nacht schlafen und brechen erst morgen früh wieder auf. Auch gegenüber Steffi ist Josh nicht wirklich freundlich. Das bessert sich erst ein wenig, als ich mit ihm zusammen am Montag 90 Kilometer mit den Hunden absolviere. Während der Trainingsfahrt ist es meine Aufgabe bei einer möglichen Gefahr aus dem Auto zu steigen, zu den vordersten Leithunden zu gehen und sie festzuhalten oder zur Seite zu ziehen, um den Gegenverkehr vorbei zu lassen.

Mein erstes weniger erfreuliches Volunteer

In den nächsten Tagen füttern wir jeweils die Hunde. Das Menü ändert sich von Tag zu Tag ein bisschen. Josh gibt uns jeweils die Anweisungen per Whatsapp durch. Einmal erhalte ich eine Nachricht von ihm, während ich am Telefonieren bin. Am Abend kommt dann prompt die Frage, wieso ich nicht sofort geantwortet hätte, mit den früheren Volunteers habe das jeweils funktioniert. Ich schalte die Lesebestätigung im Whatsapp ab. Ich mag es nicht, wenn ich übers Handy kontrolliert werde.
Josh hat Angst, dass ihm das Rinderfett nicht bis zum Rennen reicht, deshalb wechselt die Zusammensetzung des Hundefutters ständig. Ich schneide gefrorenes Fleisch in Scheiben für das Rennen und Steffi pflegt die Füsse der Hunde. Manche haben sich vom Eis und Schnee kleine Schnittwunden zwischen den Zehen eingelaufen. Davor würden die Booties, die kleinen Socken für die Hunde, schützen, doch man müsste sie ihnen auch anziehen vor den Trainingsläufen. Den für Mittwoch geplanten Trainingslauf verschiebt Josh auf den Donnerstag, doch dann ist es zu warm und das Training wird abgesagt. Ähnlich sieht es am Wochenende aus. Geplant sind 180 Meilen mit den Hunden zu laufen, doch die ersten 30 Meilen am Freitagabend werden gestrichen, weil Josh zu müde ist. Wir verabreden uns für Samstagmorgen früh. Um 6:00 Uhr füttern wir die Hunde, damit sie um 8:00 Uhr losrennen können. Doch Josh hat keine Eile und es wird fast Mittag, bis er startet. Anstelle von 50 Meilen lässt er sie nur 30 Meilen rennen. Danach dürfen die Hunde ausruhen, bevor es am Abend wieder los geht. Ich begleite ihn diesmal und wir haben das Zelt, den Holzofen und unsere Schlafsäcke dabei. Um 1:00 Uhr nachts sind die Hunde über 50 Meilen gelaufen. Sie dürfen sich nun aufs Stroh legen, bekommen etwas zu essen und schlafen. Auch wir verkriechen uns um 3:00 Uhr ins Zelt. Mit dem Holzofen ist es trotz -26°C Aussentemperatur im Zelt angenehm warm. Der Aufbruch am Morgen wird natürlich wieder in den Tag verschoben. Aus dem frühen Start wird nichts. Wir fahren um 12:00 Uhr los. Aus den geplanten 50 werden knapp 30 Meilen. Im Rennen müssen seine Hunde dann aber von Freitagmorgen bis Sonntagabend 200 Meilen laufen mögen und Josh muss es natürlich auch durchhalten. Ich bin nicht wirklich zuversichtlich. So läuft es die ganze Zeit. Wir streiten über das Essen, denn er versucht die Lebensmittelkosten auf uns abzuschieben, und über andere Kleinigkeiten. Josh hat ein unglaubliches Talent jede Sympathie, die sich zwischen uns aufbaut, spätestens am nächsten Tag wieder zu zerstören. Manchmal tut er mir leid, weil er so unorganisiert ist und scheinbar nichts auf die Reihe kriegt. Doch dann nervt er mich wieder so sehr, dass es mir egal wäre, wenn er auch das kommende Rennen nicht erfolgreich beenden würde.

Schlittenfahren

Weil er dieses Jahr keinen Trail direkt vor dem Haus hat, habe ich die Hunde noch nie vor dem Schlitten gesehen. Doch dieses Wochenende soll sich das ändern. Am Samstag nimmt Josh Steffi mit zum Kennel von Aaron und am Sonntag bin ich an der Reihe. Die Tage zuvor hat er uns immer wieder erzählt, wie gefährlich es ist, was alles passieren kann und was man alles können muss, um auf den Schlitten zu stehen. In Tat und Wahrheit ist es überhaupt nicht schwierig. Die heikelste Phase ist das Einhaken der Hunde an die Leine. Vor dem Rennen sind sie voller Energie und man muss aufpassen, dass es kein Durcheinander gibt. Sobald wir losfahren, wird es aber sehr entspannt. Die Hunde folgen dem Trail. In den Kurven kann man etwas abbremsen und ich achte darauf, dass der Schlitten schön in der Spur bleibt. Das ist keine Hexerei. Nach einiger Zeit kann ich problemlos freihändig fahren, mich umschauen und Fotos machen. Ab und zu muss man den Schlitten anhalten, um ein verlorenes Bootie zu ersetzen oder Hunde an ihren angestammten Platz zurückzuheben, damit sie sich nicht in der Gangline verheddern. Ich habe sieben Hunde vor meinem Schlitten. Gegen Ende der 30 Meilen sind sie sehr müde. Nicht mehr alle ziehen an der Leine, einige laufen nur noch mit. Ganz am Schluss müssen wir einen meiner Hunde in den Schlitten packen. Er ist zu müde, um fertig zu laufen. Mir macht das Schlittenfahren Spass. Man kann die Landschaft geniessen, kommt gut voran und ist doch auf natürliche Weise unterwegs. Eine mehrtägige Tour durch eine etwas bergigere Landschaft ist sicher noch schöner. Doch schlussendlich ist es wie mit dem Packraftfahren, zu Fuss ist man einfach noch freier in seinen Bewegungen. Um die Wildnis zu fühlen und zu geniessen, ist wandern immer noch meine erste Wahl.

Rennvorbereitung

Während des Rennens können die grossen gefrorenen Fleischblöcke nicht aufgetaut werden. Daher schneide ich sie zuhause in kleine Scheiben. Nachdem ich einmal nach Joshs Art mit der Axt einige Knochen zerkleinere, finde ich das zu aufwändig, es muss eine bessere Variante gefunden werden. In seiner Garage-Chaos-Werkstatt liegen mehrere Kreissägen herum. Die ersten Versuche damit mache ich in der Garage, aber das gibt eine ziemliche Sauerei. Zum Glück finde ich hinter einem Schuppen zwei Holzböcke, mit einer Spanplatte zusammen ergibt das einen schönen Arbeitstisch für draussen. Nun arbeite ich mich mit der Paneelsäge durch die gefrorenen Fleischblöcke. Nachdem wir auch noch eine Holzkiste oben auf die Hundeboxen seines Trucks geschraubt haben, sind wir mit unseren Aufgaben durch. Nur Josh ist nicht startklar. Seine erste Idee, am Dienstagabend nach der Arbeit loszufahren, kann ich ihm ausreden. Wir brauchen dann auch noch den ganzen Mittwoch, um alles vorzubereiten, wodurch wir erst am Donnerstagmorgen losfahren können, wiederum zwei Stunden später als geplant. Am Tag zuvor kamen ihm noch verschiedene Aufgaben in den Sinn. Er musste den Riss in seiner Schlittentasche nähen, die Suche nach neuen Kufen für den Schlitten blieb erfolglos, wir fanden nur zu kurze Exemplare. Den Kocher und das dazugehörige Brennmaterial, um die Lebensmittel für ihn aufzuheizen, wechselt er mehrmals, bis er schliesslich keinen separaten Kocher für sich mitnimmt. Es gäbe noch viele Geschichten zu erzählen. Auch Josh weiss einiges zu berichten. Oft erzählt er, wie er in den nächsten Jahren an den grossen Rennen Iditarod oder Yukon Quest teilnehmen wird.

Motivation und etwas Neues lernen

Es ist eine gute Idee sich mittels Volunteers Unterstützung zu holen. Sie könnten Josh viel Arbeit abnehmen. Es gibt sicher genügend Freiwillige, die gerne in das Leben eines Mushers hinein schnuppern. So war es auch bei mir. Nachdem ich das Buch «Lied der Wildnis» von Gary Paulsen gelesen hatte, wollte ich auch in die Welt der Schlittenhunde eintauchen. Doch als ich auf diese Unordnung und Joshs Umgang mit uns Helfern traf, war meine Motivation schnell wieder verschwunden. Wiedermal erinnerte ich mich an die Worte von Gerald Hüther: „Man kann andere Menschen als Subjekte begreifen oder sie zu Objekten der eigenen Ideen machen.“ Im ersten Fall kann etwas Grossartiges entstehen, im zweiten Fall wird das mögliche Potenzial weit verfehlt. Ursprünglich wollte ich bis Ende Februar hier bleiben. Doch nun habe ich mich entschieden, ihm noch bis zum und beim Rennen zu helfen und danach weiter zu ziehen.

Caledonia Classic – 200-Meilen-Schlittenhunderennen

Nach einer Tagesfahrt durch Alberta und British Columbia erreichen wir Fort St. James, den Austragungsort des Schlittenhunderennens. Wir begrüssen unsere Gastgeberin, die uns für diese Tage ein Zimmer zur Verfügung stellt und begeben uns zum Musher Meeting. Vor dem morgigen Rennen werden hier die Details geklärt, Fragen zur Strecke beantwortet und die Rennnummern vergeben. Josh wird als zweiter von sechs Teams ins Rennen starten. Am Freitagmorgen stehen wir früh auf, um alles für den Start um 10:00 Uhr vorzubereiten. Die Hunde erhalten eine Mahlzeit. Der Schlitten muss gepackt werden und am Schluss werden alle 10 Hunde eingespannt. Im Drei-Minuten-Abstand fahren die sechs Teams für das 200-Meilen-Rennen los. Quer über den See. Ich kann sie noch als kleine Punkte am Horizont erkennen und dann verschwinden sie für eine ganze Weile. Um 11:00 Uhr starten die Teams für das 100-Meilen-Rennen. Auch sie verschwinden über den See und ich gehe zurück in meine Unterkunft. Als ich am Abend wieder in meinem Zimmer bin, klopft die Rennleitung an die Tür und bringt einen Hund zurück. Aaron, der Freund von Josh, musste einen Hund am Checkpoint zurücklassen. Für heute Nacht erhält er einen Platz in unserem Truck.

Sprint Rennen und Skijor

Am Samstag und Sonntag gibt es mehrere kleine Sprint-Rennen. Vier Meilen, sechs Meilen oder auch Skijor. Dabei stehen die Musher auf Skis und lassen sich von einem oder zwei Hunden ziehen. Von der Rennleitung erhalte ich die Meldung, das Josh den ersten Checkpoint nach 50 Meilen um 17:45 Uhr erreicht hat. An diesem Punkt muss jedes Team mindestens zwei Stunden Pause machen. Es steht ihnen offen, ob sie die Pause auf dem Hinweg oder dem Rückweg machen. Nach weiteren 50 Meilen erreichen sie den Dog Creek Check Point und somit die Rennhälfte. Hier gibt es ein Zelt, ein Feuer und die Vorräte an Essen, Futter und Brennsprit können wieder aufgefüllt werden. Die obligatorische Rastzeit beträgt sechs Stunden. Hier trifft Josh am Samstagmorgen früh ein und startet am Samstagmittag seinen Rückweg. Dann höre ich lange nichts mehr von ihm. Am Samstagabend fährt der Sieger Conner McMahon ins Ziel ein. Er hat für die 322 Kilometer 34 Stunden und 21 Sekunden gebraucht. Eine Stunde später trifft auch Aaron im Ziel ein.

Ziel erreicht

Nach dem Kidsrennen am Sonntagmittag wird das Zielgelände abgeräumt. Mittlerweile sind zwei weitere Teams ins Ziel gefahren und jemand musste aufgeben. Nur von Josh fehlt noch immer jede Spur. Es werden drei Schneemobile losgeschickt, um ihn zu suchen. Zum Glück ist alles in Ordnung, nur noch wenige Meilen trennen ihn vom Ziel. Das erfahre ich aber zu spät. Leider verpasse ich seine Zieleinfahrt, weil ich in dem Moment am Mittagessen bin. Völlig erschöpft und ausgepowert treffe ich ihn neben seinem Truck. Er gönnte sich in den letzten beiden Nächten fast keinen Schlaf und sieht dementsprechend aus. Doch sein Ziel, das Rennen bis zum Ende zu fahren, hat er erreicht. Aber noch ist nicht die Zeit zum Ausruhen. Zuerst steht das gemeinsame Nachtessen inklusive Siegerehrung mit allen Teilnehmenden in der Turnhalle an. Nach diesem letzten offiziellen Teil kann sich Josh endlich schlafen legen und sich etwas Erholung gönnen.

Nach einem Monat bei den Schlittenhunden

Nun kehrt wieder etwas Ruhe ein in unseren Alltag. Die Nervosität vor dem Rennen ist Vergangenheit. Die restlichen Wochenenden im Winter wird Josh nutzen, um Schulkindern eine Hundeschlittenfahrt zu ermöglichen. Ich bleibe noch zwei Tage, packe alle meine Sachen wieder zurück ins Auto und führe meine Reise fort. Es war interessant den Alltag der Schlittenhunde kennen zu lernen, auch wenn ich mir diese Zeit doch ganz anders vorgestellt habe. Nächstes Mal würde ich mir eher einen Touristen Kennel suchen. Da wäre vermutlich das Naturerlebnis mehr im Vordergrund. Bei den Teams, die an Rennen laufen, handelt es sich schlussendlich um ein Training von Ausdauersportlern.
 
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